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„Ich habe in Barcelona mal

einen DJ ohne Arme kennengelernt.
Der konnte Vinyl auflegen
und gleichzeitig rauchen.“

 

Video Credit © Krentz Photography // Coat: Fomme @fomme_official // Shirt: Armed Angels @armedangels // Coat: Brachmann @brachmannofficial @brachmannofficial // Scarf: Damur @damurfashion // Eyewear: VAVA @vavaeyewear

 

Michael Mayer,
#TECHNO

interview (moritz-von-uslar-style),
uwe buschmann

DJ. A&R. ARTIST. PRODUCER. REMIXER. KOMPAKT. LABEL. AGENCY. SHOP. INSTITUTION. KÖLN. 25. WALZER. KINDER. SEGELBOOT. MANIKÜRE. BOWIE. UNTERWÄSCHE. DIKTATOR. HOTELBIBEL. GOA. STIFT. TIER. TATORT. HERZ. FONETIK. KÖLSCH. WETTER. MIMA. MOMA. FRAGEN. ANTWORTEN. 101. +8.

1  Salve, Herr Mayer, warum tanzen Menschen?

  Gegenfrage: Warum tun es manche nicht? Es ist ähnlich befreiend, wie im Chor zu singen oder sich einer sexuellen Neigung ganz hinzugeben.

2  Who’s the greatest dancer: Rudolf Chametowitsch Nurejew, John Joseph Travolta oder die Schwestern Kim, Debbie, Joni und Kathy Sledge?

Ein Experte hat mir mal geflüstert, es könnte auch MC Hammer sein.

3  Ist es wahr, dass Sie mit 16 Jahren eine Tanzschule in Freiburg besuchten, Walzer, Tango und Cha-Cha-Cha lernten?

Das ist nur halbwahr. Es war mit 14 und in Offenburg.

4  Wie haben DJs es hingekriegt, dass Frauen und Männer aufhörten, sich gegenseitig um den nächsten Tanz zu bitten?

Einfach mit der Musik durchbrettern, damit es keinen nächsten Tanz gibt, sondern nur einen ganz langen. Problem gelöst.

5  Ihre Medizin gegen müde Beine?

Eine ausgefeilte Balance zwischen stampfen, schwingen und shuffeln. Man sollte ein möglichst breites Arsenal an Steps und Moves auf Lager haben, um Ermüdung zu vermeiden. Wir jagen die Monotonie!

6  Warum sind zwei Plattenspieler und ein Mischpult aufregender als fünf Gitarrensaiten?

Früher wurden Gitarrenseiten ja aus Schweinedarm gefertigt. Gitarre spielen ist also eine widerliche Mischung aus Masturbations-Gesten und Wühlen in tierischen Eingeweiden. Bäh! Vielleicht ist DJ Culture im Herzen vegan. Im Ernst: Man kann mit Plattenspielern jedes Geräusch der Welt erzeugen bzw. wiedergeben, das ist sehr aufregend.

7  Wann genau fühlten Sie sich zum ersten Mal wie ein Star-DJ?

Das muss ca. 1986 gewesen sein, als ich nach langem Training meinen ersten perfekten Mix hingekriegte.

(Stopp. Eine These, Star-DJs betreffend: Die Rezeption funktioniert anders als beim „normalen“ Popstar. Den möchte man ja am liebsten mit Haut und Haaren „auffressen“. Beim Star-DJ ist es wie bei einem Modedesigner oder Architekten. Was die Leute „hysterisiert“, ist das Erlebnis der Veranstaltung, das Tragen der Marke oder die Finesse des Bauwerks, und nur bedingt die Person dahinter. Ausnahmen bestätigen die Regel.)

8  Besitzen Sie Rennpferde, ein Segelboot, sonst was Spektakuläres?

Demut.

(Wenn der Kölner DJ Michael Mayer auflegt, dann füllen sich die Clubs schnell. Und das weltweit. Er ist nicht nur ein internationaler DJ, nein, auch ein Mensch von Welt. Auch bei seinen Interviewantworten. Demut. An Tagen wie diesen. Das ist schön zu hören, echt.)

9  Fußballer versichern ihre Beine, Sänger ihre Stimme, Parfümeure ihren Geruchssinn — mal darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht angebracht wäre, die eigenen Hände für eine Million Euro versichern zu lassen?

Wenn schon, dann die Ohren. Ich habe in Barcelona mal einen DJ ohne Arme kennengelernt. Der konnte Vinyl auflegen und gleichzeitig rauchen.

10  Maniküre?

DIY.

11  Buch, Sonnenmilch oder Schlafbrille, was ist der wichtigste Tourbegleiter?

Eine Packung Studentenfutter.

12  Gibt’s was Schlimmeres im Leben eines DJ als der Tag, an dem der Club nur noch halbvoll wird?

Die Nacht, in der der Club leer bleibt.

13  Unveränderliche Kennzeichen?

Leichte Hohlkreuz-Stellung und lange Wimpern.

(Auweh! Wir kommen zu einem klassischen Discjockey-Thema: Hyperlordose. Seine Körperhaltung erinnert an den Glöckner von Notre Dame: krummer Rücken, Knick im Hals, eine Schulter gegen das Ohr gepresst, ein Ohr lauscht dem Track im Kopfhörer, das andere horcht auf den Sound im Raum, kurz, das Idealbild eines Notfalls für die Chiropraktik. Bisschen gespenstisch: seine Wimpern. Die sind lang und wirken tatsächlich unveränderbar, wie aus Stahl.) 

14  Familienstand?

Verheiratet.

15  Kinder?

Zwei.

16  Techno is Dad: Was die Erziehungstechnik angeht, ist der Vater Michael Mayer da eher chilled autoritär oder minimal antiautoritär?

Ganz klar ersteres.

17  Können Sie mit Legosteinen etwas Tolles bauen?

Bin eher der KAPLA Typ. Dann am liebsten enorme Domino-Installationen.

18  Kinder an die Macht?

ASAP.

19  Schulfach Rauschkunde?

Yes, please.

20  Was hilft Kindern bei ADHS?

Pop Ambient — der Fidget Spinner unter den Techno-Genres.

Photo Credit © Krentz Photography // Coat: Fomme @fomme_official

21  Was hilft Kindern bei Markensucht wie z. B. ADIDAS?

  Geld, um sie zu befriedigen oder klassisch ein paar links und rechts, um sie ihnen auszutreiben. Nein, das meinte ich jetzt betont NICHT ernst. Wer Kinder schlägt, soll bitte auf der Stelle terminale Ganzkörper-Akne kriegen! Mein elfjähriger Sohn hält Marken-Junkies für Spacken. Ich hoffe, das bleibt auch so.

(Achtung. Achtung. Nochmal zum Mitschreiben: Der erste Teil seiner Antwort war nicht ernst gemeint. Humor ist immer toll. Und Markensatire hat ja im Techno eine sehr lange Tradition. Besonders bei Flyern und T-Shirts. Aus dem Markenlogo „Shell“ wurde „Hell“, aus „Lego“ wurde „Legal“. Und das Katzenfutter „Whiskas“ wurde zu „Whiskey“ verballhornt. Darüber gab’s juristische Klageverfahren. Nur Jägermeister-Fabrikant Günter Mast freute sich über die Satiren auf sein Produkt. Sein Kräuterlikör wurde bei Ravern ultrabeliebt.)

22  Worin liegt noch mal der Unterschied zwischen Hedonismus und Egoismus?

  Den Hedonismus haben schon die alten Griechen gekannt, den Egoismus haben später die Römer so benannt. Hedonismus und Miteinander vertragen sich gut. Egoismus ist eher ein Solotrip.

(Keine Atempause. Geschichte wird benannt. Es geht voran. Es läuft. Und läuft. Und läuft. Einfach laufen lassen. Das Interview. Übrigens: Wie läuft’s denn so?) 

23  Haben Sie zu wenig Zeit für die Familie?

  Klares jein. Unter der Woche bin ich greifbarer als viele nine-to-five Dads. Meine Kinder sind damit aufgewachsen, dass ich an den Wochenenden meist abwesend bin. Manchmal habe ich den Eindruck, dass ich mehr unter diesem Umstand leide als sie. Das ist dann irgendwie tröstlich.

24  „Du darfst einen Menschen, der nicht zur Familie gehört, niemals merken lassen, was du denkst.“ Echt jetzt?

  Ausgemachter Mumpitz.

(Richtig. Sogar ausgemachter Der Pate-Mumpitz. Auch, wenn das Zitat so wunderbar genuschelt wurde wie von Marlon Brando. Gefallen hin, Pferdekopf her. Don Corleone può andare a casa. Avanti.) 

25  Wann zuletzt so richtig stinknormal mit den Hühnern schlafen gegangen und mit dem ersten Hahnenschrei aufgestanden?

  Immer dienstags und donnerstags.

26  Letzter Albtraum?

  Die Pasta Alfredo bei McLeary’s im Flughafen von Ibiza.

27  Ganz ganz schlimmer Albtraum, hätte man den zweiten Plattenspieler nie erfunden?

  Nicht schlimm. Man kann ja dann den dritten Plattenspieler benutzen.

28  Morgenmuffel?

  Latent.

29  Mit allen Wassern gewaschen?

  Bis die Haut schrumpelt.

30  Morgens ein Joint und der Tag ist dein Freund?

  Wenn man die Nacht zum Tag gemacht hat, meinetwegen. Ansonsten: ein Ding der völligen Unmöglichkeit.

31  Wann geht für Sie die Sonne auf?

  Wenn ich Georgier treffe.

32  Der östlichste Ort, wo man Sie als DJ gebucht hat?

  Eine Frage der Perspektive. Japan liegt von hier aus gesehen viel östlicher als Perm, eine Industriestadt am Fuße des Ural, in der vor allem Atomwaffen gebaut werden oder wurden. Grau in grau. Alles nur grau. Grauenhaft. Ich hab mich aber noch nie so L-OST gefühlt wie da, obschon ich sagen muss: Die Menschen waren sehr nett.

33  Die Einzigartigkeit der Massen, klingt paradox, aber ist im Club ein so richtig endgeiles Erlebnis?

  Bei den Spice Girls heißt es „When Two Become One“, im Club kann man da manchmal ein paar Nullen dranhängen. Manchmal, leider nicht immer.

34  Wir werden mal ein paar Techno-Klischees abarbeiten. Auf geht’s!

Warum ist Techno — ähnlich wie Hip-Hop, Reggae, Rock und übler Diktator — eine Männerdomäne?

  Aus den gleichen Gründen wie in der Restgesellschaft. In den letzten Jahren ist aber endlich im Techno vieles in Bewegung geraten. Gender equality beim Lineup ist heute immer noch eine Seltenheit, aber es brechen immer mehr weibliche, nicht straighte, nicht binäre Acts oder *Acts durch.

34 B2B  Überrascht, dass 2018 die psychiatrischen Kliniken in Deutschland nicht überfüllt sind mit Ecstasy-Geschädigten aus den 90er Jahren?

  Sind sie das nicht? Gut. Dann haben die Großeltern mehr Platz, die von Hitler auf Speed in den Krieg geschickt wurden.

35  Der anonyme Techno-Act wurde erfunden, um personifizierte Popstars wie Elton John, Phil Collins oder Michael Jackson zu „töten“?

  Puh. Ich würde diese Erfindung nicht dem Techno zuschreiben. Diese Anonymisierung begann spätestens bei Italo Disco.

35 B2B  War die Deklamation von der „ravenden Gesellschaft“ damals durch Jürgen Laarmann nicht eine völlige Schnapsidee?

  Da müsste ich seine alten Pamphlete noch mal durchlesen. Im Kern ist wahrscheinlich was dran, wenn man jetzt mal alles von Schlager über Ballermann, Oktoberfest bis Karneval mit ein bezieht. Da läuft ja überall die 4/4-Trommel und alle 64 Takte kommt ein White Noise Whoosh — das ist formell alles House und Techno oder Trance zuzuordnen. Insofern ist die Gesellschaft schon komplett unterwandert.

36  Nachtleben als Kommentar zum Tag, ein Abgesang der Faulpelze auf unsere Leistungsgesellschaft?

  Quatsch.

36  B2B  Bestand Gefahr, dass es Camel Airave, Rockmusik-Journaille oder Scooter schaffen, Techno zu Grabe zu tragen?

  Nein, der Airave musste irgendwann stattfinden, als evolutionärer Schritt sozusagen. Er hat all diese grauenhaften, dekadenten Party-Kreuzschiffe, die heute die Meere verpesten und den Easy Jetset vorweggenommen. Die Rock-Journaille hat sich selbst zu Grabe getragen und Scooter werden vielleicht als größte deutsche Band EVER in die Annalen eingehen. Meine Stimme haben sie.

37  Gilt noch das Motto: Forwards ever backwards never?

  In diesen qualvollen Zeiten der Retromania soll es trotzdem noch ein paar letzte Jedis geben, die daran glauben…

37  B2B  Vermissen Sie die Raves von 1992, als ein harter Techno-Track noch ein „echtes Brett“ war und die Raver mit Bauarbeiterwesten, Trillerpfeifen und Wick VapoRub auf einen Rave kamen?

  Nö. Wick VapoRub darf aber gerne wieder zurückkommen. Dann würden die Nichtraucherclubs wieder besser riechen.

38  Finden Sie, dass mit Bum-Bum-Bum die Mehrzahl der Techno-Tracks hinreichend charakterisiert ist?

  Nein. Dafür fehlt ein Bum.

38 B2B Finden Sie, dass mit Boing-Boom-Tschak die Düsseldorfer Elektro-Popband Kraftwerk hinreichend charakterisiert ist?

  Nein. Dafür fehlt ein Peng.

39  Welche politische Botschaft hat Techno?

  Keine, er ist aber ein verdammt guter Protest-Soundtrack, siehe Tbilisi im Mai 2018. Offen gestanden, so sehr es mich freut, dass Techno glasklar links geprägt ist, ich habe nie verstanden, wie die Nazis diese Steilvorlage verpassen konnten. Zu Techno lässt es sich doch so hervorragend mit den Springerstiefelchen stampfen. Sie sind wirklich zu dumm, diese Nazis.

(Atari Teenage Riot. Alec Empire — „Hetzjagd (Auf Nazis)“. Anfangs sind Jugendkulturen irgendwie politischer. Denkt man wenigstens. Hach ja. Kinder der Revolution, wie die Zeit vergeht.)

39 B2B  Maschinen ist alles egal?

  Alles außer Voltzahl, Gleichstrom und Wechselstrom.

40  Welchen Techno-Hit können Sie vorsummen, dass man ihn sofort erkennt?

  Rotterdam Termination Source — „Pong“.

(Summ, summ, summ! Techno-Hitchen summ herum! Euromasters — „Alles Naar De Klote“. Hätte ich auch gern vorgesummt gekriegt.)

40 B2B Wie sehen die Klos im weltberühmten Berliner Techno-Club Berghain aus?

  In etwa so, wie man sich sie vorstellt.

41  Themenwechsel! Fünf Fragen zu dem Songtitel „I am a D.J. I am what I play“ von David Bowie.

Was spielt in Ihrem Leben die Hauptrolle?

  Familie und Musik.

42  Haben Sie schon mal gewonnen?

  An Erfahrung, ja.

43  Was verstößt gegen alle Regeln?

  Die Hummel.

44  Kreisel-Frage: Ihre sicherste Strategie?

  Einatmen, ausatmen.

45  Sind Sie ein guter Verlierer?

  Geht so.

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46   Weiter geht’s! Vier Fragen zu dem Songtitel „Last night a D.J. saved my life“ von Indeep.

Wer erfand den Mythos der Samstagnacht, die Bee Gees oder Westbam?

  Für mich galt schon immer: Thank God It’s Friday!

47  In weit über zwanzig Jahren hinter dem DJ-Pult, was haben Sie dabei gelernt, das auch im Alltag hilft?

  Menschen lesen.

48  Drei Lebenssituationen, bei denen besser keine Musik zu hören ist?

  Die sind mir unbekannt.

49 Das allerwichtigste Stück Vinyl in Ihrem Plattenkoffer?

  Manchmal die ganz neue Platte, die ich gerade gekauft habe. Manchmal ein altes Schätzchen, das lange in der Sammlung verschütt war.

50  Kein Erbarmen! Sechs Fragen zu dem Schlagertitel „Sie liebt den DJ“ von Michael Wendler.

Kennen sie eine sexuellere Club-Hymne als „French Kiss“ von Lil Louis?

  Das war wohl die erste ihrer Art, aber was ist überhaupt eine sexuelle Club-Hymne? Zählt da so was wie der beliebte Schinkengassenhauer „Zieh Dich aus, Du kleine Vögelmaus“? Ich präferiere generell eher sinnliche Tracks ohne Schweinigeleien.

51  Gibt es einen Song, zu dem Sie eine besondere Hassliebe pflegen?

  Stevie Wonder’s „I Just Called To Say I Love You“.

52  Wie oft kam es schon vor, dass Unterwäsche aufs DJ-Pult flog?

  Ich achte meist darauf, dass ich sie anbehalte.

53  Was antworten sie, wenn ein Fan zu Ihnen ruft: „I love you, Michael“?

  Ein kurzes Lächeln, dann — frei nach Hans Nieswand — schnell Bässe killen oder andere unglaublich dringende DJ-Dinge tun.

54  Was mögen Frauen an Techno?

  Es gab mal einen Track von Renegade Soundwave — „Women Respond To Bass“. Weiß nicht, ob diese These jemals wissenschaftlich verifiziert wurde.

55  Finden Sie, eine attraktive Frau muss tanzen können?

  Nein. Niemand muss hier irgendwas, außer irgendwann den Löffel abgeben.

56  Oje! Vier Fragen zu dem Songtitel „Kill the DJ“ von Green Day.

Sven Väth (53), Laurent Garnier (52) oder DJ Hell (56): Gibt’s für DJs eigentlich kein Verfallsdatum?

  Ich habe neulich mit dem Cosmic Disco-Erfinder Daniele Baldelli geschnackt. Der hatte bis vor drei Jahren solche Flugangst, dass er quasi sein Leben lang nur in Bella Italia aufgelegt hat. Und ein Mal in Oslo, nach 28 Stunden Zugfahrt. Er hatte sich geschworen, dass er nur in ein Flugzeug steigt, wenn jemand 10.000 Euro auspackt. Er konnte nicht ahnen, dass dieser jemand ausgerechnet ein Angestellter des Opera House in Sydney sein würde. Somit war sein erster Flug überhaupt gleich die längste Strecke, die man so fliegen kann. Er ist heute Mitte 60 und fliegt jedes Wochenende weltweit zu Gigs. Er sieht dabei auch unglaublich gut aus.

57  Schon mal in einem proppenvollen Club das Gefühl einer totalen inneren Leere gespürt?

  Leider ja. Schlechte Musik kann mich regelrecht aushöhlen. Also Musik, die ich nicht ausstehen kann — es gibt ja keine schlechte Musik!

58  Was ist der Sinn des Lebens?

  Glücklich zu sterben.

59  All tomorrow’s parties: Geht es nach dem Tod für Sie weiter?

  Ich wollte immer, dass meine Asche auf der Tanzfläche einer tollen Party verstreut wird. Danach ist der ewige Chill-out angesagt.

(Ja. Ja. Todernste Fragen. Die machen immer Spaß. Aber zu oft wird vergessen, wie viel Arbeit und Kampf hinter einem ausgeglichenen, sonnigen Gemüt steckt. Wenn einem das bewusst wird, kommen einem die Tränen. Der Kreis schließt sich.)

60  Endspurt! Fünf Fragen zu dem Songtitel „God is a DJ“ von Faithless.

Warum tragen Techno-DJs kaum so lange Rauschebärte à la Gott, wie sie zurzeit doch so megahip sind?

  Das Kopfhörerkabel vertüddelt sich darin.

61  Wann fühlten Sie sich zum ersten Mal wie ein Erlöser bzw. Messias?

  Fragen Sie mich das später noch einmal.

62  Jemals aus lauter Verzweiflung in einer Hotelbibel geblättert, weil Sie nach einem DJ-Gig einfach nicht einschlafen konnten?

  Gute Idee, aber nein.

63  Aus der Kirche ausgetreten oder noch mittendrin und dabei?

  Stolz und raus seit 1994.

64  Viel gebeichtet, all die wilden Jahre?

  Das Konzept Beichte war mir schon immer suspekt.

65  Profane Frage 1: Kann ein DJ überhaupt zu viele Platten haben?

  Profane Antwort: Das hängt von der Größe der Wohnung ab.

66 Profane Frage 2: Warum kommen Jahr für Jahr tausend neue Techno-Platten raus? Da steckt doch ein System dahinter!?

  Kein System, aber ein Glaube: The best is yet to come.

67  Wahre Geschichte, dass kein Außenstehender das Kompakt-Aufnahmestudio betreten darf, weil es sich um eine Art heiligen Boden handelt?

  Außenstehende kommen bei unerlaubtem Betreten sehr qualvoll zu Tode, das stimmt.

(Schreck. An dieser Stelle wird es in Slasher-Filmen meist ungemütlich. Sommercamp. Nachts. Ein Teenager-Pärchen zieht sich zurück. Zum Kiffen oder Sex. Vermutlich beiderlei. Plötzlich ein Geräusch…)

68 Wahre Geschichte, dass in den Kompakt-Büros von Tisch, Stuhl bis hin zu Stift und Locher, alles nach Feng Shui ausgestaltet ist? 

  Selbstverständlich!

69  Wahre Geschichte, dass jeden Mittag ein Koch ins Kompakt-Gebäude kommt und für alle ein vegetarisches fünf Gänge drei Sternemenü zubereitet?

  Fake News! Es handelt sich um eine Köchin.

69  (MEAT IS MURDER REMIX): Vegetarian Lifestyle aus Liebe zum Tier?

  Nutztierfürze sind der Klimakiller Nummer 1, obwohl ich die Vorstellung schöner finde, dass Nashi-Birnen transportierende Flugzeuge, SUV fahrende Frauen und Steuerbetrüger oder Kreuzschiffe mit Protzraver-Atzen an allem Schuld sind.

(Klimakillah Kuh! Kampf dem Kuh-Kuhx-Klan! Wogende Felder, blühende Wiesen, grasende Kühe. Wegweiser zur Apokalypse. Wir brauchen den einbaubaren Kuhkatalysator, den Kuh-TÜV, den Ökopups. Dringendste Einsatzorte: Bayern, Niedersachsen und Indien.)

70  Brauchen Sie mehr als fünf Minuten mit dem Demotape, um als A&R festzustellen, ob ein Künstler fürs Kompakt Label taugt oder nicht?

  Nein. 96,5% fallen schon nach 20 Sekunden durch.

71  Welche Gewerkschaft in Deutschland ist noch mal für die Beschäftigungsgruppe der DJs zuständig?

  Eine oft diskutierte Wahrheit, dass DJs keiner Gewerkschaft zugehörig sind. Wir sind völlig wehrlos, aber dafür: frei.

72  Waren Sie damals deprimiert, weil es kein Techno-DJ war, über den Alfred Biolek im TV sagte, da wird der Plattenspieler ja zum Instrument?

Aber nein, warum? Wir DJs sind doch alle Brüder und Schwestern.

73  Was wurde aus Marusha?

  Ich glaube, die ist immer noch Marusha. Veranstaltet sie etwa holistische Yoga-Raves in Südostfranken?

74  Häufig geflucht, dass Sie nie beim Mayday aufgelegen durften? 

  Nö, hab ich doch mehrmals. Einmal sogar auf dem Mainfloor. Ganze 45 Minuten!

75  Häufig geflucht, dass Sie nie auf einem Love Parade-Wagen in Berlin mitfuhren?

  Das wollte ich wiederum wirklich nie. Ich leide unter latenter Agoraphobie.

(Huhu. Wink mit dem Zaunpfahl. Die Botschaft lautet: Bitte keine Agorapullis stricken und schicken. Er wird sie nicht tragen.)

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76  Wer trägt die Schuld an dem Unglück bei der Love Parade 2010 in Duisburg?

  Wenn man alle Beteiligten in einen Sack steckt und drauf haut, dann trifft man wahrscheinlich nie einen falschen.

77  Haben Sie mal Goa in Goa aufgelegt?

  Nö.

78  Der Sven Väth ist ein guter Freund?

  Man mag und schätzt sich, als Kollegen.

79  Ist Georg-Büchner Preisträger Rainald Götz, der ja in den 90er Jahren unermüdlicher Protokollant der deutschen Techno-Szene war, auch heute noch Ihr Lieblingsautor?

  Nein, er war es auch noch nie. Ich habe den Impuls noch nie verstanden, all diese Techno-Bücher lesen zu müssen. Obwohl Rainald da natürlich wie die Sonne über allen anderen geneigten Autoren steht.

80  Als ein DJ, der die gesamte Clublandschaft stets im Auge behält, sind Hip-Hop, Soul & Funk im Vergleich zu Techno lauter hoffnungslose Fälle?

  Überhaupt nicht. Ich finde viele Hip-Hop-Produktionen abstrakter und moderner als das Gros der Techno-Produktionen. Soul und Funk stehen gerade am Anfang einer großen Erneuerung, ähnlich auch der Jazz. Die „Generation YouTube“ schert sich nicht um Dogmen, da kann die Musik wieder frei atmen.

81  Erkennen Sie allein schon durch Betrachten der Plattenrille, um welchen Kompakt-Track es sich handelt, und können damit bei „Wetten, dass…?“ auftreten?

  Der Zug ist abgefahren.

82  Glamboyant: Im Königreich der Remixer, ist ein Remix für die Pet Shop Boys doch bestimmt so etwas wie der Ritterschlag schlechthin?

  Ja, sie bilden sich bis heute ziemlich viel darauf ein. (hüstel)

(Übrigens: Das war sein Hüsteln (s.o.) und nicht meins. Mein Hüsteln kommt jetzt: hüstel.)

83  Was ist das Beste an David Guetta?

  Sein Vorname.

84  Wie heißt die Stunde nach der After-Hour?

  Alter Raver-Witz: freitags Aronal, montags Elmex.

85  Forever Sweets: After Eight oder M&M’s?

  Studentenfutter!

86  I don’t wanna talk: So wie die Forensik der natürliche Feind des Gangster Rap-Songs ist, ist die Fonetik der natürliche Feind des Techno-Tracks?

  1-2-3-4

(Rätselhafte Antwort. 1-2-3-4 = -8. Ein Fall für die Mathepolizei? Oder es ist Data Gangsta Rap, Straight Outta Düsseldorf, KRFTWRK: „1 2 3 4 5 6 7 8 Interpol und Deutsche Bank. FBI und Scotland Yard. Flensburg und BKA. Haben unsere Daten da.“) 

87  Ihre Lieblingsfolge der ARD Kultkrimireihe „Tatort“?

„Peggy hat Angst“ — mit der blutjungen Hannelore Elsner.

(Haus, ach was sag ich, Haus UND Hof hätte ich auf den Schimanski-Tatort „Das Mädchen auf der Treppe“ gewettet. Allein wegen der Musik von Tangerine Dream. Und der blutjungen Anja Jaenicke.) 

88  Bildlich gefragt: Ihr Label Kompakt als Gemälde?

  Ein Yves Klein.

(Logisch. Minimal Techno = Monochromie. Zwei Farben sind eine zu viel. Klingt nach einem Sergio Leone-Spaghettiwestern. Ist aber Nouveau Réalisme. Unifarben, Augensex. Sein „Blaues Wunder“ erleben. Yves Klein, ein Großmeister der Malerei.)

89  Seite A: Richtige Annahme, dass der Schriftzug von Kompakt in Köln so bekannt ist wie 4711?

  Wohl kaum.

89  Seite B: Hätten Sie es mit Kompakt als Erfolgsstory in Berlin auch geschafft?

  Wohl kaum.

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90  Netteste Erinnerung an den Kölner Delirium Plattenladen in der Gladbacher Straße?

  Die langen Donnerstage mit Stroboskop und Nebel.

91  Speicher-Frage: Fotovoltaik, Gas oder Kohle?

 Ersteres.

92  Königsforst oder Stadtwald Köln?

  Ersterer.

93  From Disko to Dada: Hat Wolfgang Voigt erfunden, dass Techno Hochkultur sein darf?  

  Das wird manch ketzerischer Kulturhistoriker eines Tages eventuell so sehen und dafür dann auf den virtuellen Scheiterhaufen gestellt.

(Einschub. Manchmal fallen einem die richtigen Fragen erst nach dem Interview ein. Eine Frage, die beispielsweise leider nicht gestellt wurde, lautet:  Am Tag als Conny Kramer starb, wo waren Sie da? Oder auch: Welches Deodorant, das keine toxischen Stoffe enthält, versagt während dem Deejaying nie? Egal. Nun feiern wir. Wir wollen nun mitten hinein ins Vergnügen, ins Rheinland, diesem Epizentrum der Spaßgesellschaft und der Wiege von Wein, Weib und Gesang, mit vollem Karacho! Abfahrt!)

94  Wassermann-Frage: Warum ist es am Rhein so schön?

  Es ist wegen des alles durchdringenden Frohsinns.

95  Strengt Sie das schwüle Kölner Wetter auch so an?

  Hach ja. Aber wenn Holland dank der Kuhblähungen induzierten Klimaerwärmung in ein paar Jahren abgesoffen ist, dann liegt Köln am Meer.

96  Ein Satz auf Kölsch?

  Annemie, isch kann nit mieh.

(„An die Gewehre!“, ruft der Präsident nach einem besonders guten Auftritt. Das ist das Startsignal für eine Rakete: Kommando 1 = Hände klatschen. Kommando 2 = zusätzliches Trampeln mit den Füßen. Kommando 3 = zusätzliches Pfeifen. Der Saal tobt. Dieses Ritual wird dreimal wiederholt und endet mit einem ebenso dreifachen „Kölle Alaaf“, „Kölle Alaaf“, „Kompakt Alaaf“.) 

97 Global Player Question: In your opinion what does Köln stand for?

  For a pretty decent city in North-Rhine Westphalia.

98  Mit welcher Generation stand das Namenskürzel „MM“ nicht mehr für Marilyn Monroe sondern automatisch für Michael Mayer, X, Y oder Z?

  Marilyn war weder blond noch eine echte MM, sondern eigentlich eine brünette NJB.

(Ja leck mich de Söck!)

99 Echt wahr, dass Sie sich nur deshalb nicht DJ MiMA nannten, weil es schon das MoMA in New York gab?

  Das hat der Teufel Ihnen verraten.

100  Geografisch betrachtet, was glauben Sie, in welchen drei Ländern ist der Nachname Mayer wohl am häufigsten verbreitet?

Gute Frage! Mein Tipp: Deutschland, USA, Brasilien.

X-101  Herr Mayer, (punktpunktpunkt) und das Ende vom Lied?

  Hofknicks, Abgang nach rechts.

(Be kind, rewind…)

 

Michael Mayer,

TOP 5 Lieblingszahlen

1) 0,2

2) 12

3) 6

4) 11

5) 888

 

(1994 – 1997. ha. Die Zeit rast. Dank an. Bianca, Veronika, Tobias, Jörg, Wolfgang, Reinhard, Jürgen und Michael.) 

 

uwe buschmann // Photo Credit © Krentz Photography

 

 Photographer // Krentz Photography @denise.krentz  www.krentzphotography.com

Interview // Uwe Buschmann @kevinuwebuschmann  

Styling / Shootingorganization // Sabine Berlipp  www.blossommanagement.de

@sabine_berlipp @stiliste @blossommanagement.gmbh

Hair/ Grooming // Karla Krause  / www.blossommanagement.de  @blossommanagement.gmbh

Webeditor // June Krentz @junekrentz  

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