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Gregor Schwellenbach Interview

UND WER SAGT DAS…?

„KLASSIK IST MEINE SPIELZEUGKISTE.“

(Gregor Schwellenbach)

 

Gregor Schwellenbach setzt fort, wofür Köln einst stand: ein El Dorado der Musik zu sein. Zwar ist dieser Ruhm ein wenig verblasst, aber der fabelhafte Maestro S. hält die Fahne hoch. Denn seinem kompositorischen Genius verdanken wir nicht nur grandiose Theater- und Filmmusik, Hörspiele und freie Kompositionen, sondern auch visionäre Arrangements, die Klassik mit Elektro, Brass und Hip Hop fusionieren. Zeit für ein Gespräch mit dem Mann, der die zeitgenössische Musik in neue Sphären katapultiert…

Die meisten Komponisten wählen Berlin, Paris oder die USA als künstlerische Heimat. Deine Wahl fiel auf Köln. Was gab den Ausschlag hier Deine Zelte aufzuschlagen?

Mit Köln assoziiere ich einerseits die Musik-Avantgarde der 1950er und 60er Jahre. Dann das Kommerzielle, Businessorientierte der späten 80er und 90er Jahre, als sich VIVA gründete, und die großen Plattenlabel hier ansässig waren. Aber vor allem waren es der Techno und die regionale Spielart dieses elektronischen Genres, die Köln für mich attraktiv gemacht haben; zumal ich ja auch von hier stamme. Also dachte ich nach meinem Studium um die Milleniumswende: Ich muss nach Hause, da geht gerade die Post ab!

In dieser Zeit wurde auch das Techno-Label Kompakt groß, mit dem Du regelmäßig zusammenarbeitest…

Ich habe den Aufstieg von Kompakt aus der Ferne beobachtet, und dachte: Da ist total mein Ding, was die machen. Als einer, der im Studium gelernt hat, wie man Streichquartette schreibt, war das ja zunächst mal eine ungewöhnliche Präferenz. Also wollte ich nach Köln zurück und herausfinden, was mich an der Kompakt-Musik so faszinierte.

Hast Du den Schlüssel dazu gefunden…?

Auch wenn die klassische Komposition zu meinem akademischen Rüstzeug gehört, bin ich ja nicht zwangsläufig ein Opern- oder Sinfonienschaffender. Aus meiner Seele heraus bin ich Popmusiker; das belegen auch meine musikalischen Anfänge als Heranwachsender. Gerade weil die Klangwelt von Techno und zeitgenössischer elektronischer Musik ja vollkommen mit der Klassik differiert, ist sie für mich so spannend. Oder anders gesagt: Was eigentlich nicht zusammengeht, spornt den Geist der Kreativität umso mehr an.

Trotzdem: Wie gehen Deine klassischen Skills und Techno zusammen?

Ich denke, das ist der Vorteil meiner Generation. Die Musiker vor mir mussten sich, dem Zeitgeist geschuldet, bewusst gegen die Statuten der Klassik auflehnen. Subversion war angesagt, Punk, das Brechen mit Traditionen. Ich gehöre zur Folgegeneration, die sich wieder entspannt auf die Klassik zurückbesinnen kann – um dann mit ihr zu spielen, sie zu variieren, und sie mit neuen, bislang unbekannten Versatzstücken anzureichern. Und dann auch Klischees aufzubieten und sie liebevoll zu implementieren; zum Beispiel, indem man sehr formell, also im Frack oder zumindest im dunklen Anzug auftritt.

Du komponierst viel fürs Theater, aber genauso fürs Fernsehen oder Kinofilme. Inwieweit unterscheidet sich die musikalische Ausstattung einer Tierdokumentation von der eines Beziehungsdramas?

Tatsächlich kommt es weniger auf den Inhalt, als auf das Konzept an. Da gilt es dann, die zentrale Emotion herauszufiltern, die sich aber gar nicht aus den Bildern ergibt, sondern aus der Story selbst. Ich suche also nach der nicht sichtbaren Emotion, die die Geschichte trägt und essenziell für die dramaturgische Entwicklung ist. Diese versuche ich dann musikalisch einzufangen und zu triggern. Ich schaffe somit eine Art emotionales Grundgerüst – und das hat dann vordergründig nichts mit tragisch Liebenden oder wie in der Tierdoku mit Schlittenhunden tun. Vielmehr mit dem verborgenen Subtext, dem emotionalen Kern bzw. der Botschaft einer Story.

Dass Musik eine stark suggestive Kraft hat, wissen nicht nur Komponisten von Werbejingles. Inwieweit kann Musik uns tatsächlich steuern oder manipulieren?

Es gibt verschiedene Ziele von Musik: Bei Popmusik geht es darum, Soundtrack des Lebens zu sein. Pop liefert also die Musik, die zum Moment passt. Komponierte Kunstmusik hingegen bietet etwas Neues auf, etwas, das noch nie jemand gehört hat. Das kann dann irgendwas beim Rezipienten auslösen – was genau, bestimmt aber nicht der Komponist. Das ist individuell und ein Stück weit experimentell. Als Filmkomponist wiederum geht man empirisch und universell an die Sache heran. Da spielen Erfahrung, Vorhersehbarkeit und Kalkül eine Rolle. Man benutzt also approbierte, affektive musikalische Elemente, um eine Geschichte zu transportieren und ihr Drama, Tiefe und Gefühl zu geben. Man will beim Hörer auslösen, was man selbst fühlt und damit eine Art allgemein gültiges Gefühlskino schaffen.

Was davon bist Du am liebsten: Kunst- oder Filmkomponist…?

Eindeutig Filmkomponist. Wobei ich nicht sagen würde, dass ich manipuliere; das klingt mit zu sehr nach böser Absicht oder Täuschung. Es geht mir immer um die Geschichte, um das Storytelling. Und die einzig dafür relevanten Botschaften und Emotionen.

Was hört Herr Schwellenbach privat gerne?

Natürlich wechselt das ständig. Aktuell höre ich die DJ Kicks von Moodymann rauf und runter. Und ich bin sehr gespannt auf das Anohni Album, das im Mai kommt.

 

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3. Mai 2016, 20:00 Uhr Philharmonie: Klavier-Konzert im Rahmen des Festivals „Acht Brücken“: „Six Pianos“ von Steve Reich, feat. Gregor Schwellenbach, Hauschka, Daniel Brandt, Paul Frick, Erol Sarp und John Farah

PHOTO //MITRA ARZENSEK
STYLING // SABINE BERLIPP
SWEATER // MILIEU @ BOB 10.5.10
PANTS // ACNE

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