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„Die Frage empfinde ich

bereits als konterrevolutionär
und behalte mir vor,
Sie nach der Revolution
hinrichten zu lassen.“

 

Linus Volkmann © Frederike Wetzels-5768 Photo Credit © Frederike Wetzels

 

Linus Volkmann,
FLEISCH

interview (moritz-von-uslar-style),
uwe buschmann

WAS IST EIGENTLICH DRAN AN DEM GEFÜHL, DASS MAN HEUTE POPSTARS HAT, DIE SICH GERADE MAL SO LANGE HALTEN, BIS DER NÄCHSTE REGEN FÄLLT? LINUS VOLKMANN — MUSIKJOURNALIST, BUCHAUTOR, VIDEOSTAR IM RADIO UND GRIMME-PREISTRÄGER. FÜR UNS TROTZT ER EINEM FRAGEGEWITTER. RIESTER-RENTE? DACKELBLUT? GENDER_STERNCHEN? WIR REDEN HIER EIGENTLICH VON PEANUTS!

1  Salve, Herr Volkmann, meine erste Frage: Kennen Sie den Nachnamen vom anderen Linus, aus der Comicserie „Die Peanuts“?

    Ja!

2  Von jenem Linus van Pelt stammt das hier: „Von allen Charlie Browns auf der Welt bist Du der Charlie Brownste.“ Ergänzen Sie bitte: „Von allen Linus Volkmanns auf der Welt bin ich der…“?

    Einzige.

(Kein Wort zu viel. Sind´s die Fragen? Zwischenstand: Abgerechnet wird am Schluss.)

3  Eine Idee, wie man der Modewelt Ihren Kleidungsstil unterjubeln könnte?

   Thomas Gottschalk für Anti-Deutsche.

4  Jemals ein T-Shirt besessen, das 50 Euro oder mehr gekostet hat?   

Hey, komme ich etwa rüber wie ein Typ, der sich aus dem Altkleidercontainer bedient? Falls ja, es stimmt natürlich!

(Leugnen zwecklos. Die Modepolizei hat ihn auf dem Radar. In Zeiten ausgefranster Blue Jeans und Tank-Top-Comebacks. Das muss man auch erst mal schaffen.)

5  Warum sollten Motorradfahrer helle Kontrast Kleidung tragen?

a)  weil sie so besser gesehen werden können

b)  weil helle Kontrast Kleidung modern ist

   Beides valide Gründe, wie ich finde. Allein ist Motorradfahren natürlich so sagenhaft uncool, dass Kleidung deren kleinste Sorge sein sollte.

6  Hat der Weggang vom Intro Magazin als festangestellter Redakteur bei Ihnen Existenzangst verursacht?

   Auf jeden Fall.

7   Welche Musikzeitschrift zahlte denn danach das geringste Zeilenhonorar?

    Ich schreibe aus Überzeugung, auch immer noch für Fanzines. Daher kann ich sagen, das geringste Zeilenhonorar ist auf jeden Fall Nullkommanull.

8  Sind Sie mit Riester-Rente abgesichert?

   Ich war deshalb tatsächlich mal bei meinem schwitzenden Bankberater. Das Angebot hat mich allerdings nicht überzeugt. Ich glaube an den Sparstrumpf und daran, dass in der Zukunft irgendwann Benzin Währung wird. So wie in „Mad Max“.

9  Private Haftpflichtversicherung?

   Ja, wieso? Haben Sie was kaputt gemacht und ich soll es über meine „Haftpflicht laufen lassen“? Die kriminelle Energie hätte ich. Die Geduld aber nicht.

10  Hand aufs Herz Part 1: Krankenversichert?

   DAK.

11  Wie viel betrug das erste Taschengeld?

   Zehn Reichsmark.

12  Wann das erste Mal den Aluminium-Verschluss einer Bierbüchse knallen lassen?

   Meine Mutter arbeitete bei der Binding-Brauerei in Frankfurt. Also vermutlich schon früh. Aber Alkohol interessierte mich erst ab der Oberstufe.

666  War der Friedhof ein beliebter Aufenthaltsort in der Jugend?

   Ich war Punk, kein Grufti.

14  Lesen Sie viele Bücher?

Gefühlt zu wenig. Es ist alles immer nie genug.

(„Outside of a dog, a book is a man’s best friend. Inside of a dog it’s too dark to read.“ — Groucho Marx)

15  Das Schicksal ist ein mieser Verräter?

   Nein. Nur unheimlich, weil alles, Gutes wie Schlechtes, so random verteilt wird.

16  Wovor haben Sie mehr Angst, Virginia Woolf oder der grünen Wolke?

   Weder noch.

17  Ist Fleisch Ihr Gemüse bzw. sagen Sie, Fleisch, alles andere ist Käse?

   Ich lebe fleischlos. Verachte Fleischesser letztlich dafür.

(Aufhören! Aufhören! Schluss! Aus! Er kennt die Buchtitel nicht!! Oder er will die Buchtitel nicht kennen!?! Okay. Der letzte, verzweifelte Versuch.)

18  Ist ein Buchtitel wie „Moby Dick“ bereits Bodyshaming oder nur biologisch falsch, weil ein Wal keinen Penis hat?

   Mit Bodyshaming würde ich keine billigen Witze machen.

(Aua. Okay. Super. Läuft. Steilvorlage! Ärzte ohne Grenzen, Witze mit Grenzen. Schon klar, die Welt, in der wir leben, ist krank, unkorrekt, grenzwertig. Da da da.)

19  J. R. R. Tolkien oder Joan K. Rowling?

   Lieber „Herr Der Ringe“.

20  Mögen Sie Houellebecq, Sir? Also Michel Houellebecq, den umstrittenen französischen Schriftsteller, und nicht „Hollaback Girl“, den nicht so umstrittenen Song von Gwen Stefani.

   Sexistischer Macker-Scheiß. Diese ewige Puff-Prosa – aufgewertet zu „schonungsloser Weltbetrachtung“. Damit will ich nichts zu tun haben.

Linus Volkmann © Frederike Wetzels-5686 + Photo Credit © Frederike Wetzels

21  Ist er Zyniker oder Moralist?

   Houellebecq ein Moralist? Das ist gut, das werde ich mir für die nächste Diskussion im Irrenhaus merken.

22  Worin liegt noch mal der Unterschied zwischen Zynismus und Zyankali?

   Bitte keine Wortspiele!

23  Gibt es vielleicht einen Lieblingswitz, den Sie erzählen können?

   Durchsage im Flieger: „Hier spricht der Kapitän. Wir haben mittlerweile unsere Reisegeschwindigkeit von 600 Stundenkilometern erreicht. Wegen eines technischen Defekts ist es uns allerdings nicht möglich abzuheben.“

(Achtung! Lieblingswitz-Konter!! Im Film „Certified Copy / Die Liebesfälscher“ von Abbas Kiarostami, erzählt William Shimell — bei einer Autofahrt durch die Toskana — folgenden Aladin-Witz, während sie, Juliette Binoche, auf Krawall gebürstet ist: Ein Mann strandet auf einer menschenleeren Südseeinsel. Nach Tagen findet er am Strand eine alte Öllampe. Er reibt sie und aus der Öllampe kommt ein Dschinn. Der Dschinn sagt: „Du hast mich gerettet. Dafür erlaube ich dir drei Wünsche.“ Der Mann überlegt kurz und sagt: „Eine eiskalte Flasche Coca-Cola, die sich automatisch immer wieder auffüllt.“ Simsalabim. Der Dschinn reicht dem Mann eine eiskalte Flasche Coca-Cola. Der Mann trinkt sie in einem Zug aus und beobachtet wie sich die Flasche wieder auffüllt. Sofort trinkt er sie wieder leer und wieder füllt sie sich. Er ist begeistert. Da sagt der Dschinn: „Ich hab nicht ewig Zeit. Was sind die anderen beiden Wünsche?!“ Und der Mann antwortet: „Noch zwei solcher Flaschen.“)

24  Optimist?

  Mitunter schon.

25  Kommunist?

   Zumindest kein lupenreiner Demokrat.

26  Der größte lebende Pianist?

   Jens Friebe.

(Also: Lang Lang go home! Oder wie!? Nachfragen! Sofort!)

27  Bei der Klassik gibt’s meist so einen merkwürdigen Respekt. Passiert Ihnen das auch?

   Kanonisierter Respekt in Pop- wie auch Hochkultur ist genau das, was ich in meinen Texten angreife. Dieser ganze vorauseilende Hofknicks – verhindert jede wirkliche Betrachtung.

28  Welches Popstar-Poster hing im Jugendzimmer?

   Limahl. Und Slayer.

29  Ihre Lieblingsboygroup?

   Take That.

30  Ihre Lieblingsgirlgroup?

   Queensberry.

31  Lieblingsmensch?

   Einige.

32  Nach Ihrer Erfahrung, wie ist das Essen in der Mensa der Popakademie Mannheim?

   Angeblich mittelmäßig. Daher wurde ich immer in die angrenzenden Hipster-Läden mit Quinoa und bärtigen Köchen geschleppt.

(So so. Ich dachte, er erzählt, dass man dort ein Xavier Naidoo-Sandwich kriegt. Und zähneknirschend zugibt, dass es ihm schmeckte.)

33  Wie erklären Sie den Begriff „Blue-Eyed Soul“?

   Nie gehört.

34  Im Vergleich zu, sagen wir, den 80er Jahren: Ist die Musik insgesamt langweiliger geworden?

   Der einzige Grund, warum man das bejahen könnte, läge darin, dass einem selbst die Batterien ausgegangen sind.

35  Was sagen denn die Poptheoretiker 2018: Kann ein Popsong nur noch kurz die Welt retten?

   Via YouTube zumindest die des Interpreten.

36  Was war eigentlich Punk?

   Ein grundsätzliches wie ästhetisch aufgeladenes Nichteinverstandensein.

37  Echt wahr, dass Sie während Ihrer härtesten Zeit als Punker eine Sicherheitsnadel in der Wange trugen?

   Wir haben uns zumindest Zigaretten selbst auf der Hand ausgedrückt. Selbst die bloße Erinnerung daran schmerzt!

38  Starb der Punk nicht schon, als Malcolm McLaren Manager der Sex Pistols wurde?

Diese Zuschreibungen, ob und wann und warum irgendwas dead ist, langweilen mich. Wenn man mit irgendeiner Idee was anfangen kann, dann ist es lebendig. Egal, was drum herum schon dazu behauptet wurde.

39  Ihre Erklärung, warum die Vivienne Westwood das Sexsymbol der Punks war?

   Frauen kommen im Kanon der jeweiligen Subkultur grundsätzlich zu kurz. Daher erscheint es mir nicht produktiv, die wenigen Existenten immer bloß auf Sexyness abklopfen zu müssen.

40  Wann wird sich der alte Punk-Slogan „No Future“ bewahrheiten?

   Schätze mal bei der Apokalypse.

41  Was machten Die Toten Hosen falsch, was Punkbands wie Blumen Am Arsch Der Hölle und danach Dackelblut richtig machten?

   Bewegten sich beide auf unterschiedlichen Ebenen, waren also nicht denselben Herausforderungen ausgesetzt. Das heißt, man kann es nicht vergleichen.

(Eine Antwort wie gemalt für die Diplomaten. Vielleicht liegt ja schon ein Verlagsvertrag für eine Campino-Biografie unterschriftsreif in der Schublade?!)

42 War das schwer, Campino zu applaudieren, als er Kollegah und Farid Bang bei der Echo-Preisverleihung mal so richtig die Leviten las?

   Naja, schlecht war es nicht, in dem Rahmen diese Position sichtbar zu machen. Aber als er über „Battle Rap“ als solches sprach, war er natürlich weit weg von jeder Relevanz für die Hip-Hop-Szene an sich. Unser Lehrer Doktor Specht halt.

(Alles klar. Die Unterschrift auf dem Vertrag ist schon trocken! TV-Serie in Planung.)

43  Woran merkten Sie, dass die Beatles und auch Radiohead Idioten sind?

   So heißt ja mein aktuelles Tour-Motto. Vor allem gewählt, um Stadtmagazin-Redakteure zu provozieren.

(„He may look like an idiot and talk like an idiot but don’t let that fool you. He really is an idiot.“ — Groucho Marx)

44  Sind Sie denn ein Fan von den Rolling Stones und Coldplay?

   In meinem persönlichen Ranking sogar größere Idioten als Radiohead und Beatles.

45  Tocotronic oder Blumfeld?

   Sorry, beides geil.

Linus Volkmann © Frederike Wetzels-5795 + Photo Credit © Frederike Wetzels

 

46  Wie lautet Ihr Kommentar zu den folgenden drei Musiker-Zitaten?

„Waffen töten keine Menschen. Rapper machen das.“ Noel Gallagher (Oasis)

   Lustig.

47  „Von allen Dingen, die ich verloren habe, vermisse ich mein Hirn am meisten.“ Ozzy Osbourne (Black Sabbath)

   Okay.

48  „Ein Gitarrenriff sollte nie länger sein, als es dauert, eine Bierflasche zu köpfen.“ Lemmy Kilmister (Motörhead)

   Uninteressant.

49 Warum zählt man das Saxophon zu den Holzblasinstrumenten?

   Wer sowas behauptet, muss doch verrückt sein.

50  Was für ein Instrument gehört unbedingt verboten?

   Digeridoo. Da hört’s wirklich auf.

51 Ihre Erklärung, warum Techno und die Rave-Kultur, so völlig an Ihnen vorbeigegangen sind?

   In den 90ern, obwohl ich nahe Frankfurt lebte, tatsächlich. Später bin ich aber über Speed und Ecstasy der Sache doch noch näher gekommen.

(„Man muss diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanzen zwingen, dass man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt.“ — Karl Marx)

52  Richtig, dass eine Musikbox in der Kneipe viel demokratischer war als ein DJ im Club?

   DJ im Club. Wenn ich das schon höre. Lieber die Musikbox, ja.

(„Die Revolution ist die ruckartige Nachholung verhinderter Entwicklung.“ — Karl Marx)

53 Wir kommen zum Blindfold-Test — Eine Interviewform, bei dem der Interviewte vorgespielte Musik erkennen und beurteilen soll. Der Jazzjournalist Leonard Feather hat’s im Jahr 1946 erfunden. Berühmt und berüchtigt wurde der Blindfold-Test ab 1951 im amerikanischen Jazz-Magazin DOWNBEAT.

Duran Duran „Save A Prayer“

   Duran Duran. Vermutlich. Doch nicht? Ja, doch! Der Synthiepop war in den Achtzigern meine musikalische Sozialisation. Anlässlich der vielen Duran Duran-Comebacks, die es gab, machte ich ein Interview mit Simon Le Bon und Nick Rhodes. Es kam dazu, dass ich Simon Le Bon pinkeln hörte. Wow. Nicht mein Fetisch, fand’s trotzdem geil. Nick Rhodes hat ja eine eigene Website. Saint Nick oder so. Hat die meisten Follower. Richtig groß wurden Duran Duran nicht mehr. Leider. Das war eine tolle Band!

(Null Problem für ihn. Natürlich. Er fügt sogar noch eine Notdurft-Anekdote bei. Das hat das Publikum sehr gerne, wenn man vom Star Intimes offenbart. Profi Linus.)

54 Lana Del Rey „Video Games“

   Wie heißt sie noch? Verdammt, komm nicht drauf. Hier in Köln eines der ersten Konzerte gesehen, im Gebäude 9. In Amerika gab’s schon den totalen Hype. Obwohl erst zwei Songs vorlagen. Wir dachten noch, das wär so ein Indie-Thema. Dann kam das Album und das Thema explodierte. Keine Chance mehr auf ein Interview. Stadion-Ding, All-American Beauty Background und so. Es heißt, so der Mythos, sie wollte nach dem Debütalbum wieder abtreten. Dann wurde es sehr viel langlebiger. Die österreichische Band Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune machte eine Coverversion mit dem Titel „Video Spü“. Auch sehr schön. Wie heißt sie noch mal? Verdammt!

(Hach. Allein ihr Name klingt wie eine Pop-Symphonie. Aber nur, wenn er einem auch einfällt! Absoluter Schmelzpunkt: „Heaven is a place on earth with you, tell me all the things you want to do“. Das ist das Schönste, was im neuen Millennium in Popmusik gegossen wurde. Make Love, Not Warcraft. etc. pp.)

55 Twin Peaks Soundtrack

   Auch bei Konsens-Themen mal etwas kaputt machen. Heilige Kühe schlachten. David Lynch ist völlig überbewertet! „Twin Peaks“ hasste ich schon, bevor ich es sah. Danach hasste ich es fast noch mehr. Musste mich so aber wenigstens bei niemand entschuldigen. Kyle MacLachlan war selbst in „Sex And The City“ besser. Die Fortsetzung jetzt ist noch schlimmer. Nur nervig und lästig. Sagen wir so: Das Unterbewusstsein vieler Twin Peaks Fans gibt mir da bestimmt Recht.

(Jawohl. Ja. Ein gewiefter Versuch, die Fanbasis zu beruhigen. Die war durch den Twin Peaks Diss verstimmt. Sigmund Freud, der Erfinder des Unterbewussten, soll’s jetzt richten. Auch die Fans von Twin Peaks hassen Twin Peaks. Aber ohne es zu wissen! Wissen’s was, er ist ein Schlawi(e)ner, der Herr Volkmann!!)

56 Schnipo Schranke „Pisse“

   Der Song stammt von der Kompilation „Keine Bewegung“ des Labels Euphorie. Da waren neue, schlaue Bands aus Deutschland drauf. Die Hamburger Schule hab ich immer verfolgt. Und der Song war richtig toll. Ich dachte zuerst, hey, wer ist denn dieser 15jähre Junge, der da singt? Bis ich merkte, dass es eine Frauenstimme ist. Text ist auch der helle Wahnsinn. Eine derart witzige, offensive und unsaubere Sexualität aufzufahren, innerhalb von Pop, war wirklich sehr frisch gewesen. Und eben schön, wenn Girls ihr Glück nicht nur in den ihnen zugestandenen Genres suchen. Also die ätherische Stimme, das Feenhafte und so.

57 Nighttrain „Hallo Bimmelbahn“

   Das musikalische Thema ist sehr bekannt. Das wurde mal gesamplet, oder? Der Text sagt mir jetzt nichts. Aber gut. Letztes Jahr sollte ich was über den Sommerhit „Despacito“ schreiben. Da war es auch so. 18 Milliarden Klicks auf YouTube. Und ich kannte den Song nicht. Schande über mich. Deshalb sage ich: „Hallo Bimmelbahn“ ist ein schöner Hit der Schlagergeneration. Vielleicht ist er erotisch konnotiert, vielleicht geht’s nur um Mobilität.

(Ein doppeltes Lottchen bzw. Loopchen der Sample-Historie. Erst bediente sich Boney M. mit dem Song „Gotta Go Home“, dann Duck Sauce mit dem No1 Dancefloor-Knaller „Barbra Streisand“. Der Komponist vom Original badet wie Dagobert Duck allmorgendlich in seinem Geldspeicher.)

58  Könnten Sie etwas Gutes über Woodstock im August ’69 sagen?

   Auf den ikonischen Fotos sieht’s teilweise echt geil aus. Hippies als Big Styler – auch selten sonst.

(Gott, die Hippies, ich meine: Was die alles befreien wollten!? Vietnam, Gitarrensolos, Hygiene … )

59  Stimmt es, dass Sie aktuelle Musikfestivals hassen wie die Pest?

   Das Prinzip Festival ist mir zuwider. Menschen, Open Air, Dixi-Toiletten, Zelt…

60  Stimmt es, dass Sie vor Kurzem beim Orange Blossom Special Festival aufgetreten sind?

   Das bin ich meinen Fans schuldig.

61  Wie wird man eigentlich „Musikjournalist des Jahres“?

   Ich habe über Jahre behauptet, ich wäre „Deutschlands beliebtester Musikjournalist“. Meine Überzeugung, wenn man etwas nur mantramäßig vor sich her trägt, wird es irgendwann wahr. Beziehungsweise zumindest geglaubt.

(Offenbar auch eine spirituelle Frage. Vielleicht weiß er, Linus Volkmann, ja etwas über die Gedankenmacht, was andere nicht wissen. Es wäre doch denkbar. Wenn man es genug denkt.)

(62 Herr Volkmann, was ist das da für eine Illumination über Ihrem Kopf?)

62  Ihre Definition von Kuschelrock?

   Schmuse-Balladen mit Herz. Allerdings als Wirkungstrinker denke ich bei guten Songs grundsätzlich immer nur: „Geil, dazu könnte ich doch jetzt gut saufen.“ Kuscheln fällt da leider hinten runter.

(„Wherever you go, Whatever you do.“ — Richard Marx)

63  Kennen Sie einen guten Titel für ein Greatest Hits-Album?

   „Unsere komplett überflüssige Platte für alle, die zu doof für YouTube oder Spotify sind.“

64  Was stört Sie daran, dass gerade viele Musiker Israel mit Nicht-Auftritten boykottieren?

   Antisemitismus.

65  Welches Wir Sind Helden-Lied können Sie auswendig?

   Das mit den Scherben. „Deine Eltern sind kaputt, aber du bist es nicht, zwischen den Scherben spiegelt das Licht“ usw.

66  Hand aufs Herz Part 2: Welcher Song hilft bei Liebeskummer?

   „Flag Of Hate“ von Kreator.

(Wir wissen jetzt, was dieser freundliche Musikjournalist empfiehlt. Bei Liebeskummer empfahl Regisseur Richard Linklater in seinem Film „Boyhood“ den Song „Hero“ von Family Of the Year. Falls man sie beide mal trifft, und partout nicht auseinanderhalten kann, einfach auf diese Frage zurückgreifen.)

67 Hand aufs Herz Part 3: Welcher Song wäre die ideale Nationalhymne Deutschlands?

   „Deutschlands Mauern Fallen“ von Das Bierbeben.

68  Gibt’s etwas Trostloseres als einen Musikjournalisten, der keinen Bock mehr hat Musik zu hören?

   Absolut nicht!

69  Wären Sie in einem früheren Leben gerne Lester Bangs gewesen?

   Ja.

70  Eine Frage der Ehre: Wird man es als Musikjournalist nie los, eigentlich kein „richtiger“ Journalist zu sein? Meist ist der Musikjournalist doch ohne jeden Studienabschluss.

   Bei den Medien, die meine Texte veröffentlichen, möchte ich natürlich als Journalist auftreten und verstanden werden. Im Grunde sehe ich mich aber immer noch als DIY-Fanziner, der mit seinen Texten Einfluss auf die eigene Szene und die Welt nehmen möchte.

71  Manchmal Lust, lieber Feuerwehrmann oder Pilot zu sein?

   Das nicht. Aber es gibt eine Reihe von Jobs, auf die ich neidisch bin. Zum Beispiel der Typ, der die Horoskope auf die Videotext-Seite stellt. Geil stumpfer Job – und offensichtlich krisenfester als einiges andere.

72  Dave Gahan, Morrissey, Nick Cave, welcher dieser Indie-Althelden, finden Sie, sollte mal in Rente gehen?

   Nick Cave.

73  Amy Winehouse, Sid Vicious, Kurt Cobain, wem, finden Sie, sollte zu Ostern mal die Auferstehung widerfahren?

   Allen drei.

74  Drei Interviewwünsche, Tote oder Lebendige, selbst fiktive Figuren wie Jesus oder Godzilla sind erlaubt, dann bitte schön?

   Ulrike Meinhof, Bum Khun Cha und Elton.

75  Welchen Einfluss hatte Justin Bieber auf Ihren Buchtitel „Lies Die Biber“?

   Maul!

(Mmh … wir haben offenbar eine finstere Grundstimmung hier. Den mächtigen Mantra-Meister lieber mal beruhigen. Mit der nächsten, ganz sanften Frage. Vielleicht wird ja alles wieder gut … )

Linus Volkmann © Frederike Wetzels-5772 Photo Credit © Frederike Wetzels

76  Das Intro Magazin hat gerade sein Outro erklärt: Ein herber Verlust? Sie waren dort viele Jahre als stellvertretender Chefredakteur tätig.

   Als langjähriger Akteur des Magazins trifft mich das sehr. Aber zuletzt habe ich es auch nicht mehr gefunden und gelesen. Diese Jammerei jetzt finde ich vermessen – außer bei denen, die immer noch genauso on waren wir vor zehn oder zwanzig Jahren. Alle anderen beklagen doch letztlich nur den Verlust ihrer Jugend bzw. Adoleszenz.

77  Frage an den Mitherausgeber und Redakteur: Warum trägt das Kaput Magazin für Insolvenz & Pop das Scheitern im Titel?

   Das war die Idee von meinem Partner Thomas Venker. Das man bewusst die ökonomischen Zusammenhänge bei so einem neoliberalen Glamour-Thema wie Pop sichtbar machen möchte.

78  Der Grimme-Preis, den Sie zusammen mit Jan Böhmermann und Philipp Käßbohrer für das Buch zu „Eier aus Stahl — Max Giesinger und die deutsche Industriemusik“ bekamen, ist bis dato der Karrierehöhepunkt gewesen?

   Wenn Böhmermann mich auf die Bühne geholt hätte, vielleicht!

Bonus-Frage: Welches Märchen der Gebrüder Grimm hätte den Grimme-Preis verdient?

   „Police Academy VII“.

79  Wie gefiel Ihnen Jan Böhmermanns Erdogan Gedicht?

   Das Ding als solches hat vermutlich jetzt niemanden total begeistert. Die Folgen daraus, indes, waren sehr aufschlussreich. Ein unglaublicher Coup, dessen Nachklapp für Böhmermann selbst ja nicht gerade geil war. Aber da ist Satire plötzlich Rock ’n’ Roll: Am aufwühlendsten, wenn der Akteur nicht nur von Gefahr singt, sondern sie tatsächlich stellvertretend fürs Publikum durchlebt.

80  Ein Problem, dass Sie nach dem Grimme-Preis nicht mehr das RTL Dschungelcamp journalistisch begleiten können?

   Wer sagt das denn? Problem ist eher: Dschungelcamp ist so öde geworden. Langweiliger sind bloß die Texte darüber.

81  Was ist böse an den Gutmenschen?

   Ich bin niemand, der diese Bezeichnung offensiv für sich in Anspruch nimmt. Aber ich finde es schon vielsagend, dass so ein Begriff als Schimpfwort fungiert.

82  Was macht Sie zum Feministen?

 Jeder einzelne klare Gedanke, den ich fassen kann.

83  Eine einleuchtende Erklärung, warum wir eine geschlechtergerechte Schreibung dringend brauchen?

   Die Frage empfinde ich bereits als konterrevolutionär und behalte mir vor, Sie nach der Revolution hinrichten zu lassen.

(Eine These, die letzten beiden Antworten betreffend: Es müsste der Aufschrei einer Frau folgen, inbrünstig, butterweiche Knie bis zum Abwinken, dass sie ein Kind von ihm will! Es würde jedoch die Antwort, ach, was sage ich, das ganze Interview konterkarieren! Das darf nicht sein!! Liebe Leserinnen, lieber doch noch mal — ganz in Ruhe und stabiler Seitenlage — seine Antwort auf Frage 62 betrachten.)

84  Sind Sie mit dem Gender Sternchen einverstanden?

   Geht es denn immer noch weiter mit diesem Thema?

85  Gehört es verboten, bei einem ultrazotigen Film wie „Jungfrau (40), männlich, sucht…“ zu lachen?

   Judd Apatow halte ich für lustig und korrekt.

86  Ihre letzte Demo?

   Irgendwas gegen HoGeSa.

87  „Video Killed the Radio Star“: Sind Ihre Videos für Cosmo / WDR ein Sprungbrett zur Karriere als Comedian?

   Ich wünschte, ich käme so rüber, dass die Frage lauten würde: Sind Ihre Videos für Cosmo / WDR ein Sprungbrett ins seriöse Nachrichtenfach?

88  Sind Sie die wortwörtliche Rampensau?

   Nicht wirklich. Aber ich habe mich dazu gemacht. Ähnlich wie bei „Frankensteins Monster“.

89  Gibt es bei Ihren Lesungen auch Robbie Williams-Karaokeeinlagen wie bei Benjamin von Stuckrad-Barre?

   Nein. Aber alles Hysterische, was eine Lesung aufstachelt, begrüße ich.

Linus Volkmann © Frederike Wetzels-5820 + Photo Credit © Frederike Wetzels

 

90 Ich glaube, das ist die langweiligste Frage, die ich Ihnen stellen werde: Sind Sie nervös vor einer Lesung?

   Ja.

(Interviewfuchs Volkmann versteht, dass er jetzt aufgefordert ist, nicht irgendwas, am besten ebenbürtig langweiliges, zu antworten. Gut so.)

91  Schauen Sie viel Netflix?

  Ja.

92  „Game Of Thrones“ oder „Orange Is The New Black“?

   „Game Of Thrones“. „OITNB“ hat in der laufenden Staffel leider merklich nachgelassen.

93  Jemals „Die Lindenstraße“ regelmäßig geguckt?

   Über 20 Jahre! Von 1990 bis 2012.

94  Ein Träumchen, mal ein ganzes Jahr nichts zu schreiben?

   Nein.

95  Ihr Lieblingsort samstagnachts in Köln?

   Wenn ich betrunken bin, habe ich auch in einer Besenkammer Spaß. Orte sind mir egal. Hauptsache, gute Leute und Zusammenhänge.

96  Was ist mit Berlin? Da haben Sie es nur kurz ausgehalten.

   Berlin ist doch auch die Hölle.

97  Wieso nannte sich damals Ihre Band Bum Khun Cha Youth und nicht Charly Körbel Rex?

   Das wäre ja wohl nicht der bessere Name gewesen. Obwohl unseren verstehen viele, die von dem Fußballer noch nicht gehört haben, wirklich kaum – und können ihn auch nach dem zehnten Hören nicht wiedergeben. Das kratzt an der PR!

98  Wo waren Sie am 19. Mai 2018 um 21:53 Uhr?

   Keine Ahnung.

99  Herr Volkmann, meine letzte Frage und auch eine Art Abgesang: Das letzte Lied, das Sie unter der Dusche gesungen haben?

  „Tablette Fang An“ von Das Flug.

(„Es geht nicht darum, Menschen mit schweren seelischen Störungen vorzuführen. Das werden sie bei uns nicht erleben.“ — Gisela Marx)

 

Linus Volkmann,

TOP 5 Der Besten Macrabos-Hörspiele

1) Konga, der Menschenfrosch

2) Die Geisterhöhlen

3) Molochs Totenkarussell

4) Der Fluch der Druidin

5) Die Knochensaat
   

(Louis, äh, Linus, ich glaube, das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.)

   

Photographer // Frederike Wetzels // http://www.frederikewetzels.de

Interview // Uwe Buschmann

Webeditor // June Krentz

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