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UND WER SAGT DAS…?

„Fashion is a bitch!

(Chang)

 

Dieses Wesen als bunten Vogel zu bezeichnen, ist keine Diffamierung, sondern eine aufrichtige Liebeserklärung. Denn wie kein anderer in Köln sprengt Chang die Grenzen zwischen Mann und Frau, Kreativität und Exzentrik, Gefühl und Geist, Kunst und Trash, Genie und Wahnsinn. Chang ist im besten aller Sinne ein Unikum; und zudem ein Konzentrat von tiefster Reflexion und authentischster Liebenswürdigkeit. SALVE traf den Designer, Musiker, Voguing-Tänzer und Performance-Künstler, der unter anderem dem Projekt Voodoo Chanel angehört, zum Gespräch über Mode, Kunst und Arbeitsämter…

Bei Dir verschwimmen die Grenzen von Modedesign, Performancekunst und Musik. Die Mode war dabei Ausgangspunkt – inwieweit hat sie Deine weitere künstlerische Entwicklung befördert?

Meine Inspirationsquelle war ein angeheirateter Onkel, der als Schneider tätig war; es hat mich fasziniert, wie er ein Stück Stoff in eine Hose verwandeln konnte. Und meine Mutter, die zwischendurch als Designzeichnerin tätig war. Dadurch war ich in meiner Kindheit ausnahmslos modisch eingekleidet – fast wie ein koreanischer Mini-Pate. Während der Schulzeit in Deutschland musste ich mich dann zwischen Kunst und Musik entscheiden. Kunst war zuerst mein Leistungsfach, wo ich mich vor allem für die Techniken und Materialien interessiert habe. Durch die Berufsberatung des Arbeitsamtes entschied ich mich dann für die Vernunft: Mode anstatt der Kunst – es schien sicherer. Zusammengefasst haben sich dann alle Elemente im Laufe meiner 44 Lebensjahre Jahre synergetisch und symbolisch miteinander verwoben. Trotz meiner Intention nach 13 Jahren als Designer mit dem Modesujet aufzuhören, entstand dann wieder eine unaufhaltbare Eigendynamik, die mich immer wieder zur Mode zurückbringt, sei es Tanz, Stage, Kunst, Musik oder das Schreiben.

Mode ist längst im Museumskontext angekommen, dennoch scheiden sich die Geister daran, ob Mode tatsächlich Kunst ist. Wie beurteilst Du die Diskussion, gerade im Hinblick auf Deine vergangene Tätigkeit für die Bundeskunsthalle Bonn?

Ich würde das Wort Design zu Mode hinzufügen, dann entsteht die Divergenz von Kunst zur Mode. Jede Art von Schaffenskraft oder Passion braucht eine Inspiration als Motor; Kunst und Mode haben sich da stets gegenseitig befruchtet. Eine grobe Idee und Skizze ist immer die vereinte Menge im Konsens. Ein Musterteil besteht aus einem einfachen Stoff mit vielen Nadeln und Fäden – das Handwerk sieht es als funktionelle Silhouette, aber für Laien stellt es eine Art Kunst dar. Mode ist auch eine Sprache und ein Mittel der Emotionen, und auch in der Kunst spiegeln sich viele dieser Facetten wider.

Du begeistert Dich auch für Dada, schreibst eigene Poems. Unvergessen in diesem Kontext ist Dein Song „Arbeitsamtu“. Wie kam es zu diesem Projekt?

Ich kam mit 8 Jahren nach Deutschland und musste von der koreanischen Muttersprache in die deutsche Sprachwelt switchen. Ich ging das mathematisch genau und grammatikalisch äußerst ambitioniert an, was zu vielen surrealen Momenten mit Freunden führte, die mir unentwegt Anekdoten meiner Sprachkriegsschauplätze vorhielten. Bis heute gibt es Menschen, die mich mit Slow-Mo-verzerrtem Deutsch ansprechen, was mich bisweilen an deren geistiger Gesundheit zweifeln lässt. Es gibt keine kreativen Grenzen der Schreib- und Phonetikschöpfung, wenn es um meinen oder den Namen meines Ladens geht; und ich achte genau darauf, wer meine Schreibweise achtet – daraus schließe ich auf sein Interesse für meine Arbeit und meine Person. Meine Kreativität und Ideen setzen genau hier an. ARBEITSAMTU war mein Geschenk an mich selbst: Wenn man das 18. Lebensjahr erreicht hatte, ging man zum Arbeitsamt, um seinen Berufsweg herauszufinden. Der Computer spuckte bei mir folgende Antwort aus: Kunst. Das erste, was mir der Berater empfahl, waren zwei notwendige Zusatztätigkeiten: „Wenn sie Kunst studieren wollen, dann müssen Sie reich heiraten oder Taxi fahren…“ Was sollte ich da noch denken? Erst lag mir die Welt zu Füßen, und dann so ein genialer Nebenvorschlag! Folglich entschied ich mich in die „vernünftige“ Modewelt einzusteigen – die mir vorgeblich mehr existenzielle Sicherheit einbringen sollte als die Kunst. Der Song ARBEITSAMTU beschreibt meinen Werdegang also als eine Art Strategiemöglichkeit, an Geld zu kommen und sich zu entscheiden, ob man ins Arbeitsamt reingeht oder es doch besser sein lässt. Unterlegt wird das von einem satten Housebeat.

Deshalb auch die Referenz an die „Housefrau“ mit den pinken Putzhandschuhen auf dem Cover?

Ja, genau (lacht). Ich spiele mit den Assoziationen an die „Housewive“ und habe den Begriff House dann auch als „House Fashion“ auf die Erweiterung meiner Modeatelierarbeit angewendet. Und wir haben mit dem Regisseur Hugues Anhès an Metrostationen in Paris das passende Musikvideo mit dem Projekttitel „Korean Homme in Paris“ gedreht. Wo ich, mitten in der Menge, mit Glasreiniger die Fenster der Metrozüge putze.

Das nennen wir mal ein stringentes künstlerisches Gesamtkonzept! Auch in der Genderdebatte beziehst Du Stellung, machst Dich für Feminismus stark und betreibst Aufklärungsarbeit in Schwulenmagazinen. Der stinknormale Hetero-Mann hingegen scheint in der allgemeinen Diskussion um Emanzipation und Neuausrichtung mitunter vernachlässigt bis verloren….

Mit dem Geist des Post-Gender-Zeitalters bzw. der Genderdebatte bekommt die neue Männlichkeit ihre eigene Definition der Gender-Unifizierung, -Univerzerrung oder -Univerzierung. Die heutige straighte Männlichkeit ist schon verzweifelt, nachdem Feminismus, Homosexualität, Transgender und Rassismus sich in Politik, Wirtschaft und im Alltag ein vergleichsweise großes Gehör verschafft haben. Im Moment besinnen sich Männer scheinbar auf ein Revival mit Vollbart und Waldmenschenattitüde, wo vermeintliche Urinstinke und Urbedürfnisse rekultiviert werden. Dazu investieren sie in High-Tech-Küchengeräte. Heraus kommt ein Mann, der nach Holzfäller ausschaut, dabei aber vorrangig auf die Zerlegung des Holzfäller-Steaks spezialisiert ist. Aber seien wir ehrlich: Wir alle haben selber schuld! Von allen Seiten wird an der Männlichkeit herumgemäkelt und rumgedoktert – dabei geht es nicht ohne sie. Wenn man etwas nimmt, dann muss man es schlussendlich wieder hinzufügen, damit es funktioniert und der Kreislauf des Lebens bestehen bleibt. Jede neue Generation konfiguriert sich selbst und erfindet sich neu, jeder ist einmal in der Minderheit und versucht seine Nische adäquat zu besetzen. Also sind die Männer gefordert, für ihre Rechte und in ihren Platz in Gesellschaft und Kultur zu kämpfen. Denn mal ehrlich: Es wäre ein langweiliges, unausgeglichenes Leben, wenn Männlichkeit aussterben würde.

Was sind Deine nächsten Projekte? Worauf darf sich die Chang-Gemeinde in diesem Frühjahr/Sommer freuen?

Aktuell gibt es hier im Laden die neuen Fotostrecken von Klaus Dyba und mit den koreanisch-britischen Fotografen Zaa-Guy Shelby. Ich bin gerade mitten in den Proben für Voodoo-Chanel_Live zwischen Stagekostümen hier, und Hochzeitskleidern dort. Wenn es möglich wäre, würde ich mich multiCHANGplizieren. Im Jahre des Feueraffen gibt es jedenfalls viele überraschende Projekte. Bis dahin abwarten, wenn es wieder heißt: CHANG-hi-surprise!

http://www.chang13.de

photo // KLAUS DYBA
styling // JLA KIM
costumes // #HOUSEOFCHANG
makeup // SHONN NOON-BIT

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